Mitglieder Einbinden – Zukunft sichern
Demokratie braucht Beteiligung, war das Motto der 27. Genossenschaftstagung des Instituts für Genossenschaftsforschung im Alpenraum (IGA). Gastgeber im Internationalen Jahr der Genossenschaften war der Raiffeisenverband Südtirol in Bozen.
„Die Genossenschaft ist ein System, das ideal auf die Bedürfnisse der Menschen und der Gesellschaft zugeschnitten ist“, unterstrich Arnulf Perkounigg. „Demokratie ist in Genossenschaften nicht nur ein Schlagwort, sondern die aktive Beteiligung aller Akteure ist rechtlich verankert“, betonte der Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführer des IGA in seiner Begrüßung zur Jahrestagung des Forschungsvereins, die am 21. November 2025 stattgefunden hat.
Florentine Meier, Professorin für Genossenschaftswesen an der WU ortete allgemein eine „Kooperations- und Verantwortungskrise“ in Politik und Gesellschaft. „Immer häufiger beobachten wir den schleichenden Übergang von demokratischen zu autoritären Regierungsformen.“ In Europa und den USA sei eine zentrale Ursache dafür, dass in den letzten Jahrzehnten der Wert der individuellen Freiheit einseitig betont, der Wert gemeinschaftlicher Verantwortung hingegen vernachlässigt wurde. „Paradoxerweise bedroht dies langfristig gerade die individuelle Freiheit“, erklärt Meier.
Genossenschaften könnten dazu beitragen, diese Krise zu überwinden. In genossenschaftlichen Unternehmen würden Akteure nicht nur lernen transparente Entscheidungen zu fordern, sondern auch Initiative zu übernehmen. Sie würden aus Einzelkämpfern Teamplayer machen, die sowohl Framing- als auch Beziehungskompetenz in der Zusammenarbeit entwickelten.
„Im genossenschaftlichen Zielrahmen sind Beteiligung und Demokratie eingebettet“, erklärte Richard Lang, Direktor des Kompetenzzentrums für das Management von Genossenschaften an der Uni Bozen. „Genossenschaften leben vom Zusammenspiel verschiedener Akteure und einer demokratischen Struktur, in der Betroffene aktiv mitgestalten können.“ Aktuell würden in Südtirol zahlreiche Familienbetriebe vor der Übergabe stehen, thematisiert Lang die in Familienunternehmen oft schwierige Betriebsübergabe, bei fehlendem Interesse im familiären Kreis. Die Genossenschaft eigne sich daher ganz ausgezeichnet als nachhaltiges Modell eine mittelständische Betriebsstruktur aufrecht zu erhalten und Arbeitsplätze in der Region zu sichern.
Wie sich Beteiligung in einer Genossenschaft für Mitglieder attraktiv gestalten und erlebbar machen lässt, stellte der Vorstand der Münchner Bank, Michael Dandorfer, an zahlreichen Praxisbeispielen vor. Eine klare strategische Ausrichtung, der schließlich die gesamte Organisation folgt, sei allerdings unerlässlich. Im harten Wettbewerbsumfeld sei die Positionierung als regionale Genossenschaftsbank Voraussetzung für langfristigen Erfolg, denn „die Genossenschaft ist das einzige Differenzierungskriterium“. Mit mehr als 60.000 Mitgliedern ist die Bank „dahoam gut vernetzt“. So lautet auch einer der Werbeslogans der Bank, die einzig auf Imagewerbung setzt. „Wir müssen vermitteln, was Genossenschaften einzigartig macht: demokratische Mitbestimmung, gelebte Nähe und die Möglichkeit, gemeinsam etwas zu bewegen.“ Ein starkes Bild von einem vollen Fußballstadion macht die Kraft der Mitgliedschaft sichtbar: „Wenn wir uns alle treffen wollen, füllen wir die Allianz-Arena“, freut sich Michael Dandorfer.
Eine aktive und gelebte Mitgliederstrategie ist auch das Erfolgsrezept des Verbands der Südtiroler Obstgenossenschaften (VOG), der 4.000 Obstbauern in 11 Genossenschaften vereint. Vertrauen und Zusammenarbeit würden seit der Gründung 1945 bis heute die Eckpfeiler der Unternehmung sein, die eine vielfältige Produktpalette anbietet und in über 70 Ländern vertreten ist, wie Walter Pardatscher, Direktor des VOG hervorhob: „Demokratische Strukturen prägen die Entwicklung von Genossenschaften, auch wenn sie sich zu Unternehmen weiterentwickeln.“ Demokratische Strukturen würden zwar Zeit, Transparenz und aktives Engagement erfordern, das dem Management manchmal als Hemmschuh erscheine, doch „sie führen zu langfristig tragfähigen Lösungen“, sagte Pardatscher, „die langfristig nachhaltiger sein können“. So würde Beteiligung an der Genossenschaft zu einem Motor für Innovation, Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit. Sein Fazit: „In der Branche überwiegen die Vorteile der Genossenschaft.“
Nach diesen Impulsen aus der genossenschaftlichen Forschung und Praxis, profitierten Teilnehmende von einer Podiums- und Publikumsdiskussion mit den Vortragenden – moderiert von Christian Tanner, Vizedirektor des Raiffeisenverbandes Südtirol.
IGA-Forschungspreis 2025
Die diesjährigen Preisträgersind Edoardo Facincani (Uni Wien) für seine Arbeit „Rechnungslegung und Besteuerung von Wohnbaugenossenschaften“ und Daniel Kern (WU) für seine Arbeit „Mitgliederförderung in Genossenschaftsbanken aus steuerrechtlicher Perspektive“.