Mit Partizipation begeistern
Genossenschaften liefern, was die Generation Z sucht - ein frisches Image vorausgesetzt. Verbunden mit nachhaltigem Handeln und sozialem Engagement ist das Geschäftsmodell ein „perfect match“ für Generationen, die in einer digitalen Gesellschaft aufwachsen.
Von Andrea Karner
Die Babyboomer, das sind die geburtenstarken Jahrgänge der 1950eer und 1960er Jahre, gehen in Pension. Sie hinterlassen große Lücken im Arbeitsmarkt und im gesellschaftlichen Engagement, wie in Vereinen und Genossenschaften. Auf der anderen Seite rücken Millennials nach, auch Generation Y genannt, die zwischen 1980 bis 1995 geboren sind. Sie werden als digital Natives bezeichnet und besitzen ein anderes Wertesystem als die Vorgänger-Generationen. Einer Studie der Schweizer Idée Coopérative Genossenschaft zufolge gelten sie als überaus gebildet, weltoffen, legen viel Wert auf Selbstverwirklichung, sind bereit Leistung zu erbringen und sind Teamplayer. Sie machen bereits ein Drittel der Erwerbsbevölkerung aus.
Mittlerweile gehört nahezu jeder zehnte Arbeitnehmer der Generation Z an, die ab 1996 bis 2010 geborenen. Sie werden auch „Generation Instagram“ genannt, gelten als flatterhaft und unverbindlich gegenüber Handlungen und Beziehungen. Mit ihren Wertvorstellungen, Lebensentwürfen und Prioritäten werden sie zukünftige Entwicklungen prägen. Sie suchen nach beruflicher Selbstverwirklichung, Sinnhaftigkeit und wollen überzeugt werden.
Brauchen Genossenschaften für die Generationen Y und Z ein frisches Image, um sie als Mitglieder, Kunden, Mitarbeiter und Gründer für sich gewinnen? Diese Frage stand im Zentrum der IGA-Tagung im November in Innsbruck, zu der IGA-Geschäftsführer Arnulf Perkounigg zahlreiche Teilnehmende aus der DACH-Region und aus Südtirol begrüßte.
„Wir erleben mit der Generation Z eine Generation, die stark von gesellschaftlichen Herausforderungen wie Klimakrise und sozialer Gerechtigkeit geprägt ist und sich zugleich in einer digitalen Welt bewegt,“ erklärt Sophie Leuenberger, stellvertretende Geschäftsführerin der Idée Coopérative, des Schweizer Genossenschaftsverbandes. Die Generation Instagram erwarte von Unternehmen nicht nur einen Fokus auf Gewinnmaximierung, sondern ebenso einen Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme. Mit Verweis auf die Studie „Generationen Y & Z im Fokus von Genossenschaften“, die der Verband zwischen 2017 und 2021 durchgeführt hat, sieht sie „das große Potenzial für Genossenschaften, die auf langfristige Werte wie Solidarität und nachhaltiges Wirtschaften setzen.“ Werte wie Mitbestimmung und Gemeinwohlorientierung würden genau dem entsprechen, was die Generation Z suche. Über ihre Mitgliederstruktur, demokratische Entscheidungsprozesse, lokal verankerte Strukturen und Beispielen von der konkreten Wirkung ihrer Arbeit könnten Genossenschaften punkten, müssten sich allerdings „als zukunftsorientiert und werteorientiert positionieren“.
Mit einem frischen Image und lebendiger Partizipation ist es der Raiffeisenbank Kirchweihtal in Oberbayern gelungen junge Menschen als Mitarbeitende zu gewinnen. So wird in einem jährlichen 360-Grad Feedback mit den Mitarbeitenden etwa über die Art der Führung gesprochen und Feedback eingeholt, in anonymen anlassbezogenen Umfragen die Meinung von Mitarbeitern zu aktuellen Fragestellungen eingeholt und auch wöchentlich Feedback gegeben, wie der Vorstandsvorsitzende der Bank, Günter Dreher, berichtet. Über die Beteiligung der Mitarbeitenden über Geschäftsanteile als Bestandteil des Einkommens, konkrete soziale und ökologische Projekte in der Region und professionelles Onboarding gelingt die Identifikation mit den Zielen der Bank, welche die Bertelsmann Stiftung als familienfreundlicher Arbeitgeber ausgezeichnet hat. Ein partizipativer Führungsstil, Professionalität und Spaß in der Arbeit beflügelt junge Mitarbeiter und zeigt Wirkung: „Wir haben ein agiles Team für organisatorische Verbesserungen eingerichtet, das Themen vorschlägt, sich selbst steuert und die Ergebnisse in Abstimmung mit den Fachbereichen umsetzt,“ erklärt Dreher. Das Team würde ohne Vorstand oder Führungskräfte auskommen, allein die Themenfreigabe erfolge durch den Vorstand. Das habe auch die Führungswirkung in den Umfragen deutlich verbessert.
Spaß am Erschaffen einer gemeinsamen neuen, nachhaltigen Arbeits- und Lebenswelt in der Partizipation haben auch die Mitglieder der „HausWirtschaft“, einer Genossenschaft, die einen starken Impuls im Wiener Stadtentwicklungsgebiet „Norbahnviertel“ setzt. Der siebenstöckige Neubau mit 48 Wohneinheiten bietet großzügige Büro-und Arbeitsflächen, viel Raum für Co-Working, Werkstätten für Handwerk und Kreativberufe sowie Gemeinschaftsflächen, die flexibel von allen Bewohnern genutzt werden können. Die Idee zum Projekt entstand 2016 im Freundeskreis der Gründer, die 2019 zur Gründung einer Genossenschaft führte, in der das kybernetische System der Soziokratie verankert wurde, um Hierarchien flach und Entscheidungen konsensual zu halten. Das System von Managementinstrumenten in Kreisen kommt Gruppen von Menschen entgegen, die regelmäßig zusammenkommen und gemeinsame Ziele erreichen wollen. „Wer in der Hauswirtschaft Arbeitsflächen nützt, ist Mitglied der Genossenschaft“, sagt Angela Kohl, Vorstandsmitglied der Hauswirtschaft, die aktuell mit drei Mitarbeitern auskommt. „Ohne die ehrenamtliche Mithilfe der Mitglieder wäre das nicht machbar“, erklärt die Geschäftsführerin, die sich auf unterschiedliche Fähigkeiten und Fertigkeiten im Haus stützt: „Wir haben Juristen, Steuerberater, Webdesigner, Grafiker, IT-Fachleute, Yoga-Trainer und vieles mehr.“
In der abschließenden Podiums- und Publikumsdiskussion mit den Vortragenden, unter der Leitung von Manuel Hanselmann vom Österreichischen Raiffeisenverband, meldete sich Theresia Theurl zu Wort, Direktorin des Instituts für Genossenschaften an der Universität Münster, um das Thema Kommunikation von Genossenschaften abschließend noch einmal zu unterstreichen: „Die Genossenschaft ist bekannt, aber nicht in ihrer Gesamtheit als Gesamtmodell. Die Genossenschaft ist eine werthaltige Marke.“ Sie empfiehlt: „auf die traditionellen Merkmale der Genossenschaft setzen und zeitgemäß aufladen.“