4. Nov. 2010
Nach einer kurzen Einführung durch den Vorstandsvorsitzenden Dir. Mag. Arnulf Perkounigg wurden im ersten Teil dieser Tagung die wesentlichen Inhalte der Studie präsentiert. Diese definiert zunächst die Gebarungsprüfung als eine ganzheitliche Untersuchung der Ge-nossenschaft zur Beurteilung, ob die Führung der Genossenschaft im Hinblick auf die Umset-zung der Ziele der genossenschaftlichen Geschäftstätigkeit angemessen erfolgt. Dies war notwendig, weil der Gesetzgeber die Gebarungsprüfung (in Deutschland: Geschäftsführungs-prüfung, in Südtirol: Revision) zwar umschreibt, aber keine näheren Ausführungen gibt.
In weiterer Folge befasste sich Frau MMag. Dr. Monika Wurzer mit den Grundlagen der Gebarungs-/Geschäftsführungprüfung und stellte kurz den Prüfungsprozess dar. Im Anschluss daran präsentierte sie das im Rahmen der Studie erarbeitete Prüfungsmodell, das sich als drei-dimensionaler Würfel darstellt. Die drei Dimensionen beinhalten die Genossenschaft als Prü-fungsobjekt, die Ziele der genossenschaftlichen Geschäftstätigkeit und die Führungssysteme.
Im Anschluss daran befasste sich Univ.Prof. Dr. Rudolf Steckel anhand dieses Prüfungsmodells mit den Fragen: Was leistet das Prüfungsmodell? Wie stellt sich die Prüfung in den ein-zelnen Prüffeldern dar? Können Prüfungskriterien standardisiert werden? Diese Fragen wer-den in der Forschungsarbeit aufgearbeitet, wodurch diese eine Grundlage für die Erarbeitung von Prüfungshandbüchern und Prüfungsleitfäden darstellt.
Im Expertendialog, den Mag. Arnulf Perkounigg mit Mag. Josef Aschermayr MBA, Leiter der Sektion Finanzen und Nachhaltigkeit im Bundesrechnungshof, und MMag. Dr. Wolfgang Wesener, Vizepräsident des iwp, führte, wurde der Frage nachgegangen, inwieweit sich das vorliegende Forschungsergebnis auch zur Optimierung von Prüfungsprozessen in der pri-vaten und öffentlichen Wirtschaft eignet. Mag. Josef Aschermayr würdigte die abgeschlosse-ne Forschungsarbeit als gutes, umfassendes und systematisches Projekt, das in seinen Frage-stellungen auch viele Gemeinsamkeiten mit der Prüfung des Rechnungshofes aufweist. Aller-dings stellte er auch fest, dass der Rechnungshof zunehmend vom ganzheitlichen Prüfungsan-satz abgeht und zunehmend Quervergleiche durch Ermittlung von „Best-Practice-Beispielen“ anstellt. Dr. Wolfgang Wesener bezog aus der Sicht der Wirtschaftsprüfung zu diesem The-menbereich Stellung und gab an, dass er sich die Gebarungsprüfung sehr gut als zusätzliche Informationsquelle vor allem für den Aufsichtsrat prüfungspflichtiger Gesellschaften vorstel-len könne, die durch das interne Kontrollsystem derzeit nicht abgedeckt werden kann. Aller-dings gibt es zurzeit keine gesetzliche Grundlage für diese erweiterte Prüfungshandlung, so-dass dies nur auf freiwilliger Basis geschehen kann. Dabei sind Interessenskonflikte dadurch nicht ausgeschlossen, da der Wirtschaftsprüfer im Gegensatz zum Genossenschaftsrevisor, der von einem Revisionsverband bestellt wird, seinen Prüfungsauftrag direkt von der zu prüfen-den Gesellschaft erhält.
In einer die Fachtagung abschließenden Interview-Runde war Mag. Arnulf Perkounigg mit den Leitern der Revision des Bayerischen Genossenschaftsverbandes und des Südtiroler Raif-feisenverbandes, sowie dem Generalrevisor des österreichischen Raiffeisenverband Gemein-samkeiten und Unterschieden der Gebarungs-/Geschäftsführungprüfung in den einzelnen Ländern bzw. auf der zweiten Verbundebene auf der Spur. Dr. Alexander Büchel bestätigte, dass auch im deutschen Genossenschaftsgesetz der Begriff der Ordnungsmäßigkeit ein zentrales Element darstellt, sich aber im Übrigen die Regelungen in der Gesetzesformulierung und auch in der Form unterscheiden. Dr. Robert Nicolussi gab einen Überblick über die Zersplit-terung der gesetzlichen Grundlagenbestimmungen in Italien und damit auch in Südtirol, hielt aber fest, dass sich gerade die Genossenschaftsrevision in Südtirol, die erst vor wenigen Jah-ren auf neue rechtliche Grundlagen gestellt wurde, sehr stark an der österreichischen Geset-zeslage orientiert. Mag. Hans Chaloupka ging in seinen Wortmeldungen auf die besonderen Herausforderungen der Gebarungsprüfung im dreistufigen Verbund ein und hielt ua dazu fest, dass die Prüfungsschwerpunkte in den einzelnen Stufen schon systembedingt unterschiedlich ausgestaltet sein müssen.
Am Ende der Tagung appellierte Dr. Rudolf Steckel an alle Teilnehmer dieser Fachtagung diese Studie auch in der Praxis aufzugreifen und umzusetzen und das vorgestellt Modell als Denkanstoß mit Entwicklungsmöglichkeiten zu würdigen.