11. Nov. 2016
20. IGA-Tagung: "Die neue Einlagensicherung - Fluch oder Segen?"
Soll der Schutz von Spareinlagen in der Eurozone in Zukunft durch eine einheitliche europäische Einlagensicherung erfolgen, wie dies die EU-Kommission plant? Diese Frage stand im Mittelpunkt der 20. Tagung des Inter-nationalen Instituts für Genossenschaftsforschung im Alpenraum am
11. November 2016 im Hotel Therme Meran.
Vertreter aus Deutschland, der Schweiz, Italien und Österreich präsentierten zunächst den aktuellen Sparerschutz in den jeweiligen Ländern. Es referierten Claus Königs (Genossenschaftsverband Bayern), Andreas Gmünder (Universität Luzern), Robert Nicolussi (Raiffeisenverband Südtirol) und IGA-Vorstandsvorsitzender Arnulf Perkounigg (ehemaliger Direktor des Raiffeisenverbandes Tirol).
Anschließend wurde das heftig umstrittene europäische Vorhaben erörtert: Die EU-Kommission möchte die derzeitigen nationalen System der Einlagensicherung bis 2024 schrittweise auf europäische Ebene heben. Diese dritte Säule der Bankenunion trage schon allein durch die Größe des gemeinsamen Sicherungsfonds zu mehr Krisen-festigkeit bei, warb Kommissionsvertreter Andreas Schneider bei der Tagung für das Vorhaben.
Zudem bringe die europäische Einlagensicherung (EDIS) einheitliche Standards für alle Bürger der Eurozone. Wie schon jetzt werden Einlagen bis 100.000 Euro gesichert, die Auszahlung der Summe soll im Falle des Falles einheitlich binnen sieben Tagen erfolgen. Um den neuen europaweiten Schutz zu gewährleisten, sollen die nationalen Einlagen-sicherungsfonds - sie werden derzeit gerade erst dotiert und umfassen im Endausbau 0,8 Prozent der gesicherten Einlagen - in drei Phasen nach Brüssel übertragen werden, zunächst als Rückversicherung, dann als Mitversicherung und schließlich als Voll-versicherung.
Bei der Berechnung der Beiträge wolle man risikoorientiert vorgehen, versprach Schneider. Wie genau das passieren solle, sei allerdings noch offen, räumte der Kommissionsvertreter ein. Klar sei aber: Der Umstand, dass etwa bestehende Haftungsverbünde das Risiko bei Banken senken, müsse berücksichtigt werden. Der Kommissionsexperte wollte auch nicht verhehlen, dass zum Thema EDIS unter den Mitgliedsstaaten noch keine Einigkeit herrsche. Während nördliche Länder - Schneider nannte hier neben Deutschland, Frankreich und den Niederlanden auch Österreich - dem Vorhaben reserviert gegenüberstünden, trete man in Spanien, Italien, Griechenland oder Zypern für eine möglichst rasche Umsetzung ein.
Theresia Theurl, Professorin für Volkswirtschaft an der Universität Münster, konnte dem Vorhaben in ihrem Referat wenig abgewinnen. Sie bezeichnete EDIS als "regulatorischen Raubüberfall auf die Banken" und malte das Schreckensgespenst einer Transferunion an die Wand. Die Voraussetzungen für die Vergemeinschaftung der Sicherungssysteme seien derzeit einfach nicht gegeben, argumentierte sie. Es gebe noch Altlasten in den Bilanzen vieler Banken und zudem unterschiedliche Risiken in den einzelnen Ländern, die nicht durch eine einheitliche Prämie abzudecken seien.
Bewährte nationale Systeme würden im Kommissionsvorschlag zudem nicht ausreichend berücksichtigt. Und: Für echte Krisen sei auch der europäische Fonds mit seinen ge-planten 45 Milliarden Euro zu gering dotiert. Sie plädiert stattdessen für eine ver-pflichtende europäische Rückversicherung, bei der im Krisenfall zuerst die bestehenden nationalen Einlagensicherungssysteme in die Verantwortung genommen werden.
In diese Richtung zielt übrigens auch ein Kompromissvorschlag der niederländischen Europaabgeordneten Esther de Lange. Sie hat jüngst eine "Light-Version" von EDIS in die Debatte geworfen. Daring schlägt sie vor, nur einen Teil der Gelder in den euro-päischen Topf einzuzahlen. Und auch dieser Schritt soll an eine Reihe von Bedingungen - etwa den Aufbau ausreichender Risikopuffer im Bankensystem - geknüpft sein.
Skepsis herrschte auch bei der abschließenden Podiumsdiskussion mit den Referenten unter der Leitung von Paul Gasser, Generaldirektor des Raiffeisenverbandes Südtirol, vor. Mehr Subsidiarität unter Berücksichtigung regionaler Banken mit ihrem risikoarmen Geschäftsmodell sei gefragt, so der Tenor. Dieses Modell sei immer noch der beste Schutz der Kundengelder, meinte Andreas Gmünder, Forscher an der Universität Luzern. Und Claus Königs, Interessenvertreter beim Genossenschaftsverband Bayern, betonte:"Die freiwilligen Institutssicherungssysteme von Genossenschafts-banken wirken präventiv und sorgen dafür, dass der Entschädigungsfall erst gar nicht eintritt."